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Zur Geschichte des Palais Lobkowicz (Lobkovický palác)

Artikel

von Dr. Harald Salfellner

Wer in der Historie des Lobkowicz-Palastes stöbert, wird wenig Aufregendes und kaum Spektakuläres zu berichten finden. Nichts in der Geschichte des Palastes deutete darauf hin, daß er dereinst, anno 1989, in allen Postillen Europas Beachtung und Erwähnung finden würde. Die Entwicklung und das Dasein scheinen dem Ort zu entsprechen, an dem erst diverse Vorgängerbauten und schließlich der Palast selbst errichtet wurden - einem abseits des lauten Prager Treibens gelegenen Platz am Fuße des nördlichen Hanges des sogenannten Laurenziberges (Petřín).


Im Mittelalter stand anstelle des heutigen Palais Lobkowicz ein Gebäude, das zum Besitz des Klosters Strahov gehörte. In einem Urbarium aus dem Jahr 1410 ist ein Mälzer Petrovic, ein Kleinseitner Bürger, genannt, der dieses Gebäude als Brauhaus gemietet oder wohl eher gepachtet hatte. Schon damals dürften zu dem Gebäude Weinberge gehört haben, die sich oberhalb desselben erstreckten.


Die Archivalien geben nur spärlich Auskunft über diese Zeit, immerhin nennen sie einen gewissen Jan Tomiš, in dessen Besitz das Gebäude sich um 1503 befand. Einem weiteren Aktenvermerk zufolge vermachte Anna Tomiš, vermutlich die Frau des obengenannten Jan, das Brauhaus mitsamt den Weinbergen ihrer Tochter Johanna und deren Ehegemahl Veit Kuneš. 1554 beanspruchte ihr Sohn Jakob Skála und dessen Frau Dorothea den Besitz - seit damals trug das Anwesen ihren Namen. Die Tochter Katharina übernahm den Besitz und vererbte ihn weiter an ihre Tochter, die einen gewissen Meister Bartholomäus Havlik geheiratet hatte. Leider sind uns nur die Namen der Eigentümer überliefert, vom Schicksal dieser bürgerlichen Hausbesitzer wissen wir nichts. Ihre Erben verkauften im Jahr 1616 den Skála-Hof für 600 Schock Meißner Groschen an einen Maurer mit dem klingenden Namen Thomas Trampolin, allerdings geriet dieser wenige Jahre später in Streit mit dem Abt von Strahov. Unglücklicherweise konnte er den Titel seines Besitzes nicht ausreichend belegen, so daß man ihn aufforderte, die Schlüssel der Stube, der Kammer und auch des Kellers abzugeben. Der Konflikt ist in seinen Einzelheiten nicht mehr nachvollziehbar, allerdings muß der Maurer Trampolin wohl eingesehen haben, daß er und seine Familie am kürzeren Hebel saßen, und so unterwarf er sich der Strahover Jurisdiktion. Das Haus wurde ihm nun zwar in die Strahover Bücher eingetragen, allerdings hatte er einen jährlichen Zins von 4 Schock Meißner Groschen sowie ein Pfund Pfeffer und andere Naturalien zu bezahlen.


Die Erben dieses wackeren Maurermeisters verkauften den Besitz, den man zu diesem Zeitpunkt bereits umgebaut und den Namen "Zu den drei Musketieren" gegeben hatte, im Jahr 1627 weiter. Als neue Eigentümer tauchen der Richter der Strahover Jurisdiktion Phillip Bamberg (auch Tannenberg) und seine Frau Margarethe auf. Der hohe Kaufpreis von 1200 Gulden läßt jedenfalls auf eine beträchtliche Wertsteigerung schließen, die wahrscheinlich auf die Umbauten des Thomas Trampolin zurückzuführen sind.


Als 1671 die Strahover Gerechtsame (Jurisdiktion) über die Häuser der Wälschen Gasse aufgehoben wurde, nahm man das Haus, das sich im Besitz der Witwe Tannenberg befand, in die städtischen Bücher auf. Einige Jahre später erscheint mit Franz Tyral ein neuer Eigentümer in den Verzeichnissen. Tyral erwarb das Haus für 1258 Gulden, doch auch er und seine Erben konnten sich nicht lange des Hauses "Zu den drei Musketieren" erfreuen. In den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts ging das Gebäude, das ein wenig abseits von der Baufläche des heutigen Palais stand und in den Verlauf der Wälschen Gasse hineinragte, für 2000 Gulden an einen gewissen Karl Hübl aus Straden.


Etwa zur selben Zeit begann der damals oberste Münzmeister und nachmalige Gerichtspräsident Karel Přehořovsky von Kvasejovice Gärten und Weinberge, die sich in der Umgebung befanden, aufzukaufen; die Gründe sollten ihm die Errichtung eines standesgemäßen Herrensitzes ermöglichen:

Zu Füßen der grünen Hänge des Petřín gelegen, hat das Palais Lobkovicz auf der Kleinseite mit dem gräflichen Nostitzschen Palaste einen der wichtigsten Vorzüge, ja geradezu eine der hauptsächlichsten Bedingungen eines aristokratischen Heims gemein: Auch dieser Palast liegt abseits des wirren Treibens des Großstadtlebens, und es zeugt von dem guten Geschmack des Stifters des imposanten Baues, des Grafen Franz Karel Přehořovský von Kvasejovice, daß er gerade diesen entlegenen Teil der Kleinseite dazu wählte, sich hier ein würdiges Heim zu schaffen. Graf Přehořovský bekundete einen feinen Geschmack und einen unleugbaren Scharfblick, als er in den Jahren 1697 - 99 die Grundstücke zu Füßen des Petřín an sich brachte, denn die reizend gelegene Stätte war wie geschaffen, um hier einen mit dem vornehmen Prunk jener Zeit ausgestatteten Palast entstehen zu lassen. Damals gab es hier allerdings nur ein einziges, offenbar nicht allzu komfortables Haus, "Zu den drei Musquetieren" genannt, sowie drei ausgedehnte Gärten. In einer einzigen Hand vereinigt und arrondiert, gab das alles zusammen einen recht hübschen Besitz, und der Graf wußte wohl, was sich aus diesen Gärten wird machen lassen, wenn eine berufene Hand mit ihrem Arrangement und der Aufsicht über dieselben betraut wird. Jaroslav Kamper, Wanderungen durch Alt-Prag


Die vorhandenen Akten und Handschriften geben beredt Auskunft über die verworrenen Besitzverhältnisse dieser Weingärten, die damals bepflanzt waren und so manchen Scheffel Wein abwarfen. Einige der Bauplätze auf dem Gebiet dieser Weingärten erwarb Jahrzehnte später, im ausgehenden 17. Jahrhundert, auch die Familie Lobkowicz.

1702 erwirkte Karl Přehořovský vom Kaiser die Erlaubnis, das Haus "Zu den drei Musketieren" zu erwerben, einen Neubau zu errichten sowie einen großzügigen, symmetrischen Garten anzulegen. Die Immobilie wurde in die Landtafeln eingetragen ("Das mit Zusammenziehung der Garten darauf zu sonderbarer Zierde der Stadt kostbar erbaute Haus und dannen angelegten schönen grossen Lustgarten"), der bestehende Bau niedergerissen, und noch im selben Jahr werden wohl die Bauarbeiten begonnen haben. Für den aus einem südböhmischen Rittergeschlecht unweit von Soběslau stammenden Přehořovksý muß dies ein erhebender Augenblick gewesen sein, schließlich war der Bau selbst für Prager Verhältnisse etwas Außergewöhnliches.

Graf Franz Karl Přehořovský schien ein ungemein vielseitiger und ausnehmend begabter Mann zu sein, denn er bekleidete in rascher Folge einige der höchsten Würden, die ihm sein Vaterland bieten konnte.
In den Jahren 1688 - 99 war er der oberste Münzmeister des Königreiches Böhmen, nachher Präsident des Appellationsrates, im Jahre 1705 wurde er Oberstlandrichter von Böhmen. Aber nicht allein hohe Würden, auch bedeutende Reichtümer hatte er erlangt und als Sprosse eines unbedeutenden Rittergeschlechtes konnte er sich rühmen, der Gläubiger seines kaiserlichen Herrn zu sein. Als Besitzer einer der schönsten Herrschaften Böhmens, Konopišt und Beneschau, und einer der höchsten Würdenträger des Landes empfand er natürlich auch das Bedürfnis, in der Hauptstadt des Königreiches einen seiner würdigen, eigenen Palast zu besitzen. Als Oberstmünzmeister faßte er die Idee und traf die Vorarbeiten zwecks Durchführung derselben, als Oberstlandrichter zog er in das prachtvolle neue Heim ein, denn der Bau des Palastes war im Jahre 1707 bereits beendet.
Jaroslav Kamper, Wanderungen durch Alt-Prag


Verschiedenen (und im einzelnen auch recht vagen) Quellen zufolge soll sich eine Reihe prominenter Baumeister und Architekten an diesem Projekt beteiligt haben, darunter Giovanni Antonio Lurago, Giovanni Santini, Giovanni Batista Alliprandi, Christoph Dienzenhofer und auch Bartolomäus Scotti. Wie wir einer Klageschrift aus dem selbigen Jahr entnehmen, war im Jahr 1704 dieser Bau "gegenüber dem wälschen Spital" bereits aufgeführt. Man hatte sich mit den benachbarten Grundeigentümern, den Grafen Colloredo und mit der Kleinseitner Stadt nicht über wasserbauliche Fragen einigen können und deshalb einen Prozeß angestrengt. Der neue Palast zählte zu den wohl imposantesten Neubauten des damaligen Prag, auch wenn er um ein Stockwerk niedriger war, als wir ihn heute sehen.


Um 1713 gelangte der Besitz des ehemals wohlhabenden Přehořovsky, der in guten Tagen sogar dem Kaiser mit Geld ausgeholfen hatte, zur Versteigerung. Přehorřovsky hatte sich mit dem Bau wohl übernommen und einer Reihe von Handwerkern, unter ihnen ein Zimmermann, ein Schmied, ein Glaser und auch der Stukkateur Thomas Soldati, blieb nichts anderes übrig, als ihre Forderungen bei der mit der Versteigerung betrauten Landtafel geltend zu machen.


Doch wider Erwarten sollte sich Graf Přehořovský seines neuen Heims nicht allzulange erfreuen. War es der kostspielige Bau, waren es andere Ursachen - es ist so schwer, heute über die Gründe, die den finanziellen Ruin des Grafen Přehořovský herbeiführten, Betrachtungen anzustellen. Das eine steht fest: Der Graf sah sich schon nach wenigen Jahren (1713) schuldenhalber gezwungen, seinen prächtigen Palast samt dem herrlichen Garten an den Freiherrn Johann Josef Bartoletti von Parthenfeld zu verkaufen, der ihm dafür 70.000 rh. Gulden und 400 Gulden Schlüsselgeld bezahlte. Die Herrlichkeit war somit nur von kurzer Dauer gewesen, der junge Glanz des Geschlechtes der Grafen Přehořovský von Kvasejovice rasch verblaßt. Graf Franz Karl starb im Jahre 1717 und mit seinem Sohne Hellfried, der auf der Brautfahrt nach Wien unterwegs den Tod fand, erlosch das alte südböhmische Adelsgeschlecht. Jaroslav Kamper, Wanderungen durch Alt-Prag


70.000 Gulden investierte der neue Eigentümer Johann Josef Bartoletti, ein Makler, in das Palais und in die umliegenden Gärten mit dem gesamten Zubehör. Im Jahr 1717, also nur vier Jahre später, tauschte er es mit großem Gewinn dem Grafen Franz Karl Liebstein von Kolowrat, dem Geheimrat, wirklichen Kämmerer und Präsidenten des Landesgerichtes im Königreich Böhmen, für dessen Herrschaft Přestavlky.


1734 wechselte das Palais erneut den Besitzer. Die verwitwete Gräfin Antonie Černín von Chudenic, geb. Gräfin von Kühnburg, kaufte das mit 1160 Quadratmetern wahrlich nicht kleine Palais für wohlfeile 70.000 Gulden. Ihr Sohn, Franz Anton, dem sie es zueignete, verstarb allerdings nach nur fünf Jahren, und so ging der Besitz an seine Tochter Maria Josefa Ludmila Černín von Chudenic. Als diese im anno 1753 dem Fürsten August Anton Josef von Lobkowicz ihre Hand zum ewigen Bund reichte, kam das Palais ins Eigentum jener Familie, die es bis ins Jahr 1927 bewohnen und ihm den noch heute üblichen Namen geben sollte: Das Palais wurde zum Prager Stammsitz des Hořín-Mělníker Zweiges der böhmischen Adelsfamilie Lobkowicz.


Fürst August Anton Josef von Lobkovicz (geboren im Jahre 1729) war in Rom in einem adeligen Stifte erzogen worden, trat in die kaiserliche Armee ein, aus welcher er nach dreiundzwanzig Jahren als Generalmajor schied, um sich der diplomatischen Laufbahn zuzuwenden. Er wirkte fünf Jahre als Kaiserlicher Gesandter in Madrid, doch gab er auch diese Karriere auf, um sich in seinem Prager Palaste, an dem er noch eine Etage aufführen ließ (noch heute sieht man an der Fassade des Palastes das Allianzwappen des Fürsten und seiner Gemahlin, geborenen Gräfin Černín), der Pflege der Künste und Wissenschaften hinzugeben. Er starb im Jahre 1803. Jaroslav Kamper, Wanderungen durch Alt-Prag


Der Baumeister Ignaz Palliardi dürfte in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts einige Arbeiten für den Fürsten August Anton Josef von Lobkowicz ausgeführt haben. So wird ihm von manchen Kunsthistorikern unter anderem auch der Anbau des obersten Stockwerkes des Palais zugeschrieben. Zu dieser Vergrößerung hatte man sich wohl entschlossen, nachdem das Gebäude bei einem Brand im Jahr 1766 beschädigt worden war. Ein Gutachten der vereidigten Baumeister Anton Haffenecker und Mathias Hummer bestätigte, daß Grund und Fundamente diesen Aufbau und dazu auch noch das geplante doppelte Ziegeldach tragen würden. Vielleicht sind die beiden Baumeister nicht nur mit der Überprüfung der Statik, sondern auch mit den eigentlichen Bauarbeiten betraut worden.


Da ein bis heute erhaltener Plan der Gartenanlage seine Unterschrift aufweist, kann man davon ausgehen, daß Palliardi sich auch an der Gestaltung des Gartens beteiligt hatte. Im Jahr 1768 erwarb die Familie Lobkowicz den angrenzenden Turbovksý-Garten, und zwei Jahrzehnte später konnten auch noch weitere Gartenflächen zugekauft werden.


Dem Fürsten August Anton Lobkowicz folgte sein Sohn Anton Isidor Lobkowicz (1773 - 1819). Er hatte als einziger von den insgesamt 17 Kindern seinen Vater überlebt. Bis heute erinnert man sich seiner als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die je dem gefürsteten Hause Lobkowicz entsprossen sind. Anton Isidor förderte Carl Maria von Weber während dessen Prager Aufenthalten und gehörte zu den eifrigsten Wohltätern Ludwig van Beethovens, sodaß es zumindest denkbar ist, daß diese beiden Komponisten im Palast unter dem Laurenziberg zu Gast weilten.


Nach seinem Tode im Jahr 1819 wurde ein Inventarprotokoll erstellt, das die damalige Ausstattung des Palais dokumentiert. Anton Isidors Sohn August Longin folgte als Eigentümer des Palastes, 1843 übernahm dessen Sohn und Erbe, seine Durchlaucht Oberstlandmarschall Georg Fürst von Lobkowicz und später dessen Sohn Friedrich den Besitz:


Ein baulich besonders schönes Palais gehörte dem Fürsten Friedrich Lobkowicz (die eine Linie dieser berühmten böhmischen Familie schrieb sich damals mit cz, die andere mit tz), es hatte einen großen Garten, der sich am Hang des Laurenziberges bis zur Spitze hinaufzog. Fürst Georg Lobkowicz, der Großvater meiner Frau, der als Landmarschall von Böhmen eine politische Rolle gespielt hatte, war nicht lange vorher gestorben; nach alter böhmischer Sitte, um ja nicht "aufzuhauen", hatte er die schönsten Sachen, die er besaß, nie verwendet, sondern alles sorgfältig verwahrt. Sein Sohn und Erbe, Fürst Friedrich, war sehr kunstverständig, seine junge Frau hatte einen guten Geschmack für das Einrichten eines Hauses. Sie waren beide außerordentlich gastfreundlich, und wir jungen Studenten, die meisten entweder mit leeren Taschen oder von ihren Eltern sehr kurz gehalten, wurden dort freigiebig bewirtet. Überhaupt denke ich gern daran zurück, wie die reichen Leute damals an die weniger begüterten dachten. Im Jahr 1910 erwischte ich die Masern und lag in meinem großen Zimmer, von Frau Stiasny ein bißchen betreut, aber doch sehr verlassen; da ich der Masern wegen auch nicht lesen durfte, wäre mir die Zeit sehr lang geworden, wenn die Mutter meines Freundes Josef Zdenko Lobkowitz sich nicht jeden Tag eingefunden hätte, um mir, von abscheulichen Flecken bedecktes Ungeheuer, die Zeitung vorzulesen und mir die neuesten Nachrichten zu erzählen. Und zweimal täglich erschien ein Diener des Grafen Nostitz, der von der anderen Seite der Moldau in einem Korb, gut zugedeckt, ein ausgezeichnetes Essen brachte.

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