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Haftfälle - Rechtliches Verfahren

Artikel

Alle Angaben in diesem Merkblatt beruhen auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Botschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des Merkblattes. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit kann jedoch keine Gewähr übernommen werden.

Stand: März 2018

Festnahme und Untersuchungshaft

In der Tschechischen Republik kann die Polizei verdächtige oder beschuldigte Personen bis zu 48 Stunden festhalten, wenn Gründe für eine U-Haft vorliegen. Am Ende dieser Frist wird die Person entweder entlassen oder der Fall der Staatsanwaltschaft übergeben, die innerhalb einer weiteren 24-Stundenfrist beim Haftrichter einen Haftbefehl erwirken muss. Wird eine Person aufgrund eines Haftbefehls festgenommen, muss sie dem Haftrichter innerhalb von 24 Stunden vorgeführt werden. In jedem Haftfall besteht die Pflicht der Behörde, die Familie des Festgenommenen unverzüglich zu informieren, es sei denn, der Inhaftierte erklärt, dass er hiermit nicht einverstanden ist. Minderjährige haben nicht das Recht sich dessen zu verweigern. Gemäß Art. 36 Abs. 1b) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen haben die tschechischen Behörden die Pflicht, die Botschaft des Staates des Inhaftierten unverzüglich zu unterrichten, wenn der Betroffene dies verlangt.

Die verhaftete oder in Gewahrsam genommene Person ist unverzüglich über ihre Rechte zu belehren.

Prüfungs- und Ermittlungsverfahren

Zunächst steigt die Polizei in das Prüfungsverfahren ein, das nicht länger als sechs Monate dauern darf. Wird festgestellt, dass hinlänglicher Tatverdacht be-steht, beginnt das Ermittlungsverfahren. Während der Untersuchungshaft hat die Staatsanwaltschaft dem Haftgericht fortlaufend über den Fortgang der Ermittlungen und die Erforderlichkeit der Haft zu berichten. In der Praxis werden von der Staatsanwaltschaft monatlich Vorlagen an das Gericht über die Fortdauer der Haft gerichtet. Über die Fortdauer der Untersuchungshaft entscheidet das zuständige Gericht alle drei Monate. Daneben steht es der inhaftierten Person frei, von sich aus einen Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft zu stellen; über diesen Antrag hat das zuständige Gericht umgehend zu befinden. Weist das angerufene Gericht den Antrag ab, kann die inhaftierte Person nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen ab Rechtskraft des Beschlusses einen neuen Antrag stellen. Auch sieht die tschechische Strafprozessordnung die Möglichkeit vor, die Untersuchungshaft durch alter-native Sicherungsinstrumente zu ersetzen; hierzu zählen die Kautionszahlung (der Mindestbetrag liegt für natürliche Personen bei 10.000 CZK, bei Unternehmern bei 50.000 CZK), die Versicherung einer vertrauenswürdigen Person, den Inhaftierten während der Dauer des gesamten Strafverfahrens in Obhut zu nehmen und das Versprechen des Inhaftierten, im Falle seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft während des Strafverfahrens allen Anordnungen der Strafermittlungsbehörden Folge zu leisten. Die Dauer der Entscheidung über die Freilassung beträgt in der Regel zwei Wochen. Wenn die Polizei dem Staatsanwalt die Ergebnisse der Ermittlungen übermittelt, entscheidet dieser, ob die Beweislage eine Anklage recht-fertigt. Die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit wird bei der Verbüßung des Urteils angerechnet.

Gerichtsverfahren

Je nach Schwere des vorgeworfenen Delikts findet das Gerichtsverfahren vor dem Kreisgericht oder dem Bezirksgericht statt. Das Gericht besteht aus einem bzw. drei Berufsrichtern. Schöffen gibt es im tschechischen Strafverfahren nicht. Wenn das Gericht aus drei Richtern besteht, wird die Schuld oder Unschuld und die eventuelle Strafe durch Mehrheitsentscheidung der Richter festgestellt. Dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft steht die Berufung zu einem übergeordneten Gericht zu. Der Angeklagte kann hierbei um ein milderes Urteil, der Staatsanwalt um eine strengere Strafe ersuchen. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung zugunsten des Angeklagten. Nach tschechischem Recht kann auch ein Strafbefehl ergehen.

Verteidiger

Der Beschuldigte kann als Verteidiger einen beliebigen bei der tschechischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt wählen, unabhängig davon, wo das Verfahren durchgeführt wird. Wenn der Angeklagte keinen Verteidiger wählt, es sich aber um ein Verfahren mit vorgesehener anwaltlicher Vertretung handelt, beantragt der Staatsanwalt bei Gericht die Bestimmung eines Pflichtverteidigers. Auch in Fällen der nicht notwendigen anwaltlichen Vertretung kann der Beschuldigte die kostenlose Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragen, so-fern er glaubhaft macht, die Kosten der anwaltlichen Verteidigung nicht selber tragen zu können. Anspruch auf anwaltlichen Rechtsbeistand hat der Beschuldigte schon vor seiner ersten Vernehmung durch die Ermittlungsbeamten; hierüber und über sein Aussageverweigerungsrecht ist er in seiner Muttersprache zu belehren.

Die Botschaft kann deutschen Häftlingen auf Wunsch eine Liste von Rechtsanwälten übermitteln, die nach eigenen Angaben deutsch und tschechisch sprechen.

Sprachprobleme

Im Strafverfahren und bei Anordnungen der Strafvollzugsbehörden wird dem Inhaftierten kostenfrei ein Dolmetscher gestellt. In seine Muttersprache werden stets die Belehrung über seine Rechte, der Beschluss über die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens, der Beschluss über die Anordnung der Untersuchungshaft, die Anklageschrift, der Antrag auf Genehmigung der so genannten Vereinbarung über die Schuld und die Strafe, die betreffende strafgerichtliche Entscheidung, sprich das Strafurteil oder der Strafbefehl, übersetzt. Die schriftliche Übersetzung der übrigen im Rahmen des Strafverfahrens zugehenden Schriftsätze in die Muttersprache des Beschuldigten erfolgt nicht von Amts wegen, kann jedoch beantragt werden; die-sem Antrag ist stattzugeben, sofern die Einhaltung des Gebots des fairen Strafver-fahrens eine Übersetzung erfordert. Im Übrigen sind jedoch alle im Rahmen des Strafverfahrens seitens der Strafermittlungsbehörden und der Gericht zu verfas-senden Schriftsätze und der übrige Akteninhalt spätestens im Rahmen der Haupt-verhandlung durch den beigeordneten Dolmetscher dem Beschuldigten mündlich in seine Muttersprache zu übersetzen.

Die Botschaft ist nicht in der Lage, für den Inhaftierten Übersetzungen anzufertigen.

Medizinische Versorgung

Der Inhaftierte hat grundsätzlich Anspruch auf kostenfreie medizinische Versorgung inklusive Eingangs- und Schlussuntersuchung (tschechische Ärzte und tschechische Medikamente). Bei Zahnersatz und Hilfsmitteln (z.B. Brille) muss er jedoch den in der Tschechischen Republik üblichen Eigenanteil übernehmen. Es werden in der Regel nur die dringend notwendigen Operationen und Untersuchungen durchgeführt.

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