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Elterliche Verantwortung und Sorgerecht

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Geburtsanzeige, © colourbox

Artikel

Alle Angaben in diesem Merkblatt beruhen auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Botschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des Merkblattes. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen, kann jedoch keine Gewähr übernommen werden.

Stande: Juli 2022

Allgemeines

Sowohl Tschechien (2002) als auch Deutschland (2011) sind Beitrittsstaaten des Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ). Wer die elterliche Sorge ausübt, wird gemäß dem Übereinkommen anhand des Rechtes des Staates beurteilt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierbei wird allerdings berücksichtigt, ob in einem früheren Aufenthaltsstaat des Kindes bereits eine Sorgerechtsentscheidung im Sinne von Artikel 21 Absatz 1 Brüssel IIa-Verordnung (gültig bis 31.07.2022) bzw. Artikel 30 Brüssel IIb-Verordnung (gültig ab 01.08.2022) oder Art. 16 Abs. 1 KSÜ getroffen wurde, die anerkannt werden kann (z.B. Feststellungsurteil oder Sorgerechtsurteil eines deutschen oder tschechischen Familiengerichts).

Gerichtsentscheidungen, die seit dem 01.08.2022 in anderen EU-Mitgliedsstaaten (Ausnahme: Dänemark) ergangen sind, werden unter den Voraussetzungen der Artikel 21, 23 Brüssel IIa-VO bzw. Artikel 30, 39 Brüssel IIb-VO ohne besonderes Verfahren anerkannt.

Die internationale Zuständigkeit der Gerichte wird durch die Brüssel-IIa-Verordnung bzw. seit 01.08.2022 der Brüssel IIb-Verordnung geregelt, nach der sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes richtet. Hat das Kind also seinen Aufenthalt in der Tschechischen Republik und muss eine Sorgerechtsentscheidung getroffen werden, sind ausschließlich die tschechischen Gerichte für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung zuständig.

Sorgerecht in der Tschechischen Republik

In der Tschechischen Republik haben stets beide Elternteile die gemeinsame elterliche Sorge. sofern sie nicht durch ein Gericht eingeschränkt oder lediglich einem Elternteil zugesprochen wurde. Es ist unerheblich, ob die Eltern verheiratet sind und ob das Kind ehelich oder nichtehelich ist.

In Fällen, in denen sich die Eltern nicht auf eine gemeinsame Ausübung des Sorgerechts einigen können, stehen in der Tschechischen Republik folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  1. Es können Mediatoren eingeschaltet werden, die an jedem Kreisgericht tätig sind. Ihre Aufgabe besteht darin, eine gütliche Einigung zwischen den beiden Parteien herbeizuführen; sie fungieren dabei als Mittler.
  2. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, so genannte Beratungsstellen für Ehe, Familie und zwischenmenschliche Beziehungen aufzusuchen, wo man die Hilfe qualifizierter Psychologen und Sozialarbeiter in Anspruch nehmen kann. In der Tschechischen Republik findet man in diesem Zusammenhang auch bei einer Vielzahl gemeinnütziger Organisationen Unterstützung.
  3. Zudem können sich die Eltern in Fragen der elterlichen Sorge an den Jugendwohlfahrtsträger wenden.
  4. Mutter oder Vater können bei einem tschechischen Gericht beantragen, das Sorgerecht des anderen Elternteils auszusetzen, einzuschränken oder zu entziehen. Sorgerechtsanträge sind an das Kreisgericht (in Brünn an das Stadtgericht) zu richten, das für den Kreis zuständig ist, in dem das Kind seinen Wohnsitz hat. In Angelegenheiten, die das Sorgerecht für Minderjährige betreffen, kann das Gericht auch ohne Antrag entscheiden und von Amts wegen tätig werden.
  5. In den Fällen, in denen ein Elternteil langfristig an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert ist, können die Eltern zudem eine Sorgerechtsvereinbarung treffen, die vom Gericht bestätigt werden muss, um rechtsverbindlich zu werden.

Sorgerecht in Deutschland

In Deutschland haben Mütter von nicht-ehelichen Kindern, bei denen zwar ein Vaterschaftsanerkenntnis erfolgte, aber keine Sorgeerklärung abgegeben wurde, die alleinige elterliche Sorge. Jugendämter am Geburtsort des Kindes können hierüber eine sogenannte Negativbescheinigung ausstellen, Bei dieser Bescheinigung handelt es sich aber um keinen Sorgerechtsbeschluss im Sinne von Artikel 21 Absatz 1 Brüssel IIa-Verordnung, bzw. Artikel 30 Brüssel IIb-Verordnung oder Art. 16 Abs. 1 KSÜ.

Auswirkungen auf das Sorgerecht durch Umzug

Wenn Mütter nicht-ehelicher Kinder mit diesen aus Deutschland in die Tschechische Republik umziehen und hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, ändert sich die Sorgerechtslage, wenn noch keine deutsche Sorgerechtsentscheidung ergangen ist. Der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, wird nunmehr ebenfalls sorgeberechtigt und bleibt es laut KSÜ auch, wenn die Kinder und Mütter später wieder nach Deutschland zurückziehen.

Ausübung der elterlichen Verantwortung

Wie die elterliche Sorge ausgeübt werden soll, wird nach dem oben genannten Übereinkommen (KSÜ) ebenfalls nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bestimmt. Ändert sich dieser, beurteilt sich die Ausübung des Sorgerechts nur nach dem Recht des neuen Aufenthaltsstaates. Die Ausübung der elterlichen Verantwortung kann je nach Rechtsordnung Inhalte wie der aktiven und passiven Vertretung bei gemeinsamer Sorge, Vertretungsausschlüsse und Erfordernisse der gerichtlichen Genehmigung umfassen.

Zur Passbeantragung für ein minderjähriges Kind, müssen grundsätzlich beide sorgeberechtigten Eltern vorsprechen. Falls ein sorgeberechtigtes Elternteil nicht vorstellig werden kann, wird seine Zustimmung zur Passausstellung mit beglaubigter Unterschrift (Beglaubigung in der Regel in Deutschland bei der Passbehörde am Aufenthaltsort des Elternteils, in der Tschechischen Republik bei einem Notar oder Czech Point einer Post oder eines Bürgeramtes, in einem anderen Staat bei der für diesen Staat zuständigen deutschen Ausländerbehörde) benötigt. In Tschechien kann auch eine von einem tschechischen Gericht bestätigte Vereinbarung der Eltern zur Ausübung des Sorgerechts vorgelegt werden. Falls nur ein Elternteil sorgeberechtigt ist, muss dies, in der Regel durch einen Sorgerechtsbeschluss (Gerichtsentscheidung) nachgewiesen werden.

In Nachlassangelegenheiten (Beantragung eines Erbscheins oder Europäischen Nachlasszeugnisses oder Ausschlagung einer Erbschaft) kann es erforderlich sein, dass dem Nachlassgericht zusätzlich zum Nachweis des alleinigen Sorgerechts auch eine erforderliche Zustimmung des Gerichts vorgelegt werden muss. In Tschechien ist eine solche Zustimmung erforderlich, wenn ein Kind eine Erbschaft oder ein Vermächtnis mit nicht unerheblichem Vermögenswert erwirbt oder ausschlägt (§898 des tschechischen Gesetzes 89/2012 zum Bürgerlichen Gesetzbuch), in Deutschland bedürfen die Sorgeberechtigten grundsätzlich der gerichtlichen Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1643 Abs. 2 S.1 BGB). Dieses Erfordernis entfällt aber, wenn der Anfall der Erbschaft an das Kind erst infolge der Erbausschlagung durch einen Sorgeberechtigten erfolgt ist, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Sorgeberechtigten vertritt.

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